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Böhmisch
Am Waldessaume, am Ende eines Dörfchens,
stand einst eine kleine, ärmliche Hütte. Dort
lebte ein Holzfäller mit seiner Frau. Im Sommer arbeitete
der Mann im Walde und im Winter verrichtete er allerhand
Handlangerdienste im Dorfe, um sich den kargen Groschen
zu verdienen. Seine Frau saß am Spinnrade und spann
Garn, welches sie dann zu Markte trug. Die beiden waren
rechtschaffene Leute und geehrt und geachtet im ganzen
Dorfe. Und dennoch waren sie nicht glücklich, denn
ihr sehnlichster Wunsch, ein Kindlein zu besitzen, war
ihnen unerfüllt geblieben. Oft hörte man sie
bei der Arbeit seufzen:
"Ach, wenn wir doch nur ein Kindlein
hätten!"
"Ihr solltet dem Herrn dankbar sein,
daß er Euch kein Kind beschert hat", sagten die
Nachbarn, "Ihr habt ja kaum selbst genug, um Euch satt
zu essen!"
Doch sie achteten nicht auf diese Worte
und sagten:
"Wenn es für uns reicht, wäre
für unser Kind sicherlich auch noch genügend
da -- ach, wenn wir doch nur eines hätten!"
Eines schönen Sommermorgens, als
der Mann im Walde Baumstämme fällte, kam ihm
eine Wurzel in die Hand, die vollkommen einem Kindlein
glich. Es hatte ein Köpfchen, ein Körperchen,
Händchen, und sogar kleine Füßchen waren
da. Der Holzfäller rundete bloß das Köpfchen
mit seiner Säge ein wenig ab, und schnitt kleine
Fingerchen und Zehlein in die Wurzelenden und siehe da
-- das Holzkindlein glich einem Lebenden aufs Haar! Freudig
trug es der Holzfäller nach Hause, reichte es seiner
Frau und sagte:
"Hier bringe ich dir, was du dir so sehnlich
gewünscht hast -- ein Kindlein. Gefällt es dir,
kannst du es behalten."
Die Frau war überglücklich.
Fürsorglich hüllte sie das Holzkind in ein warmes
Federbett ein, wiegte es in ihren Armen und sang dazu:
"Schlaf,
mein Holzkind, schlaf ein. |
Wenn
du aufwachst, Kindlein mein, |
wird
dein Brei bereitet sein. |
Schlaf,
mein Holzkind, schlaf ein." |
Da plötzlich begann sich das Kind
in seinem Wickelbett zu bewegen, es hob das Köpfchen,
fing zu weinen an und rief:
"Mutter, ich habe Hunger -- ich möchte
essen!"
Die Frau wußte vor Freude kaum,
was sie tat. Vorsichtig legte sie das Holzkind aufs Bett
nieder und lief in die Küche, um schnell einen Brei
zu bereiten. Das Holzkind aß gierig eine Schüssel
voll des guten Breies auf, und rief von neuem:
"Mutter, ich habe Hunger!"
"Warte, mein Liebling, ein Weilchen!
Gleich will ich Dir etwas zum Essen holen!" rief sie.
Sie lief zur Nachbarin, um sich einen
Topf Milch auszuleihen.
Hastig ergriff das Holzkind den Topf
und trank die Milch bis zur Neige aus. Dann klagte es
wiederum, daß es Hunger habe und essen wolle.
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"Noch
immer bist du nicht gesättigt?" rief die Frau verdutzt. |
Schnell
eilte sie ins Dorf und kehrte bald mit einem Laib Brot wieder,
den sie auf den Tisch in der Stube legte. Hierauf eilte
sie in die Küche, um das Feuer unter dem Suppentopf
zu schüren. Kaum aber hatte sie die Stube verlassen,
als auch das Holzkind sich von seinen Decken und Hüllen
befreite, vom Bette glitt, das Brot ergriff und es im Nu
verzehrte. Dann rief es wiederum: |
"Mutter,
ich bin hungrig, gib mir schnell, was zu essen!" |
Als
die Frau sein Rufen hörte, kam sie in die Stube, um
das Brot zu holen, welches sie in die Suppe einbrocken wollte.
Doch der Tisch war leer -- das Brot war verschwunden! In
der Stubenecke aber saß das Holzkind, groß und
breit wie ein Fäßchen und sah die Mutter mit
gierigen Augen an. |
"Gott
sei mit uns, Kind, hast du etwa den Laib Brot auch schon
aufgegessen?" |
"Das
habe ich, Mutter, -- dich will ich auch noch verschlingen!" |
Es
riß den Mund weit auf, und ehe sich's die arme Frau
versah, war sie in seinem Schlunde verschwunden. |
Nach
kurzer Zeit kehrte der Holzfäller aus dem Walde heim.
Kaum hatte er die Schwelle betreten, rief ihm das Holzkind
zu: |
"Vater,
ich habe Hunger, gib mir was zu essen!" |
Der
arme Mann erschrak gar sehr, als er das Holzkind sah, welches
in der Ecke saß, groß wie ein Backofen war,
mit den Augen rollte und den Mund sperrangelweit aufriß. |
"Gott
schütze uns vor allem Bösen!" rief der Mann, "wo
ist denn die Mutter?" |
"Ich
habe sie aufgegessen und auch dich werde ich verzehren!" |
Und
im augenblicke hatte es den Holzfäller verschlungen. |
Je
mehr das Holzkind aß, desto hungriger und gieriger
wurde es. Nachdem es im Hause nichts mehr fand, was es essen
konnte, machte es sich auf den Weg ins Dorf, um dort nach
weiterm Futter zu suchen. |
Unterwegs
begegnete ihm eine Magd, die einen Karren mit Klee vom Felde
nach Hause führte. |
"Du
hast aber viel essen müssen, um einen so gewaltigen
Bauch zu haben", rief sie lachend. |
Und
das Holzkind antwortete: |
"Ich
aß und verzehrte den Brei in der Schüssel |
die
Milch im Topfe, einen Laib Brot, |
die
Mutter -- den Vater |
und
auch Dich will ich essen!" |
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Es
sprang hinzu, und im Nu war die Magd mitsamt Klee und Karren
in seinem Bauche verschwunden. |
Bald
darauf sah das Holzkind einen Heuwagen auf sich zukommen,
der von zwei Pferden gezogen wurde und auf dem ein Bauer
saß, der lustig die Peitsche schwang. |
Das
Holzkind verstellte dem Gefährt den Weg, die Pferde
hielten an, und der bauer rief ärgerlich: |
"Kannst
du denn nicht ausweichen, du dickes Ungeheuer! Ich will
dich lehren ...!" |
Und
er erhob seine Peitsche und wollte mit ihr nach dem Holzkinde
schlagen. Doch dies scherte sich nicht um ihn, sondern rief: |
"Ich
aß und verzehrte den Brei in der Schüssel |
die
Milch im Topfe, einen Laib Brot, |
die
Mutter -- den Vater |
ihrem Kleekarrendie Magd mit |
und
auch Dich will ich essen!" |
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Ehe
der Bauer wußte, wie ihm geschah, war auch er mitsamt
seinen Pferden und dem Heuwagen im Bauche des Holzkindes
verschwunden. |
Das
Holzkind wanderte nun weiter. Der Weg führte entlang
einer Weide, auf der ein Schweinehirt seine Herde weidete.
Das unersättliche Ding stürzte sich auf die Herde
und verschluckte ein Schweinchen nach dem anderen. Zum Schluße
aß es auch noch den Schweinehirten auf! |
Am
Fuße eines Hügels kam ihm ein Schafhirt mit seinen
Schafen entgegen. Als ihn das Holzkind erblickte sprach
es zu sich: |
"Da
ich schon ohne hin so viel verzehrt habe, kann ich doch
diese nicht laufen lassen!" |
Und
so verschlang es die Schafe, den Hirten und seinen treuen
Schäferhund Waldi auch noch dazu. |
Das
Holzkind war nunmehr so groß und dick geworden, daß
es sich nur schwer fortbewegen konnte. Es wankte bis zu
einem Krautfelde, auf welchem ein altes Mütterchen
das Unkraut jätete. Das Holzkind überlegte nicht
lange und begann die Kratköpfe aus dem Boden zu reißen
und sie zu verschlingen. |
"Warum
fügst du mir denn diesen Schaden zu, du Holzklotz!"
rief die Alte erzürnt. "Du scheinst ja schon zur Genüge
gegessen zu haben und könntest wohl schon satt sein!" |
Das
Holzkind lachte höhnisch und rief: |
"Ich
aß und verzehrte den Brei in der Schüssel |
die
Milch im Topfe, einen Laib Brot, |
die
Mutter -- den Vater |
die
Magd mit ihrem Kleekarren |
den
bauer mit Pferden und Heuwagen, |
den
Hirten mit seinen Schweinen, |
den
Schäfer mit Hund und Schafen |
und
auch Dich will ich essen!" |
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Und
es machte sich daran die Alte zu verspeisen. Doch diese
war schneller als das unförmige Holzkind. Sie ergriff
ihre scharfe Hacke und schlitzte mit einem Schlage seinen
Bauch auf. Da fiel das Holzkind leblos zu Boden. |
Ihr
hättet sehen sollen, was jetzt geschah! |
Aus
dem Bauche sprang zu allerst der kleine Schäferhund,
hinter ihm kam der Schäfer, dann sprangen die Schafe,
eines nach dem anderen, ins Freie. Hierauf liefen die Schweinchen
heraus, ihnen folgte der Schweinehirt, der lustig mit der
Peitsche knallend hinter dem Schäfer hereilte. Dann
kamen die Pferde mit dem Heuwagen. Der Bauer saß noch
immer oben auf, und er fuhr nun, über die Verzögerung
scheltend, den Hirten ins Dorf nach. Dem Wagen folgte die
Magd mit ihrem Karren, und zuletzt stiegen aus dem Bauche
der Holzfäller mit seiner Frau, und sie trugen unter
dem Arm das ausgeliehene Laib Brot. |
Von
nun an hörte sie niemand mehr seufzen: "Ach, wenn wir
doch nur ein Kindlein hätten!" |
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Fragen
zu dem Text: |
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Du
kennst wohl jemanden, der (bzw die) alles
bekommt, was der/die will. Ist er/sie zufrieden? |
Was
willst du, das du nicht hast? Wie könnte
es dir schlecht gehen, wenn du genau das bekämest
/ bekommen würdest? |
Meinst
du, der Mensch rechnet mit allen Möglichkeiten,
wenn der Mensch nach irgendwelchem Ziel strebt? |
Wie
könnte das Thema des Märchens mit
Politik oder Regierung verglichen werden? |
Wie
hat der Wunsch der Frau anderen Menschen betroffen? |
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