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Märchen: Das Holzkindlein
 

 
©RCAguilar
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Das Holzkindlein

Böhmisch

Am Waldessaume, am Ende eines Dörfchens, stand einst eine kleine, ärmliche Hütte. Dort lebte ein Holzfäller mit seiner Frau. Im Sommer arbeitete der Mann im Walde und im Winter verrichtete er allerhand Handlangerdienste im Dorfe, um sich den kargen Groschen zu verdienen. Seine Frau saß am Spinnrade und spann Garn, welches sie dann zu Markte trug. Die beiden waren rechtschaffene Leute und geehrt und geachtet im ganzen Dorfe. Und dennoch waren sie nicht glücklich, denn ihr sehnlichster Wunsch, ein Kindlein zu besitzen, war ihnen unerfüllt geblieben. Oft hörte man sie bei der Arbeit seufzen:

"Ach, wenn wir doch nur ein Kindlein hätten!"

"Ihr solltet dem Herrn dankbar sein, daß er Euch kein Kind beschert hat", sagten die Nachbarn, "Ihr habt ja kaum selbst genug, um Euch satt zu essen!"

Doch sie achteten nicht auf diese Worte und sagten:

"Wenn es für uns reicht, wäre für unser Kind sicherlich auch noch genügend da -- ach, wenn wir doch nur eines hätten!"

Eines schönen Sommermorgens, als der Mann im Walde Baumstämme fällte, kam ihm eine Wurzel in die Hand, die vollkommen einem Kindlein glich. Es hatte ein Köpfchen, ein Körperchen, Händchen, und sogar kleine Füßchen waren da. Der Holzfäller rundete bloß das Köpfchen mit seiner Säge ein wenig ab, und schnitt kleine Fingerchen und Zehlein in die Wurzelenden und siehe da -- das Holzkindlein glich einem Lebenden aufs Haar! Freudig trug es der Holzfäller nach Hause, reichte es seiner Frau und sagte:

"Hier bringe ich dir, was du dir so sehnlich gewünscht hast -- ein Kindlein. Gefällt es dir, kannst du es behalten."

Die Frau war überglücklich. Fürsorglich hüllte sie das Holzkind in ein warmes Federbett ein, wiegte es in ihren Armen und sang dazu:

"Schlaf, mein Holzkind, schlaf ein.
Wenn du aufwachst, Kindlein mein,
wird dein Brei bereitet sein.
Schlaf, mein Holzkind, schlaf ein."

Da plötzlich begann sich das Kind in seinem Wickelbett zu bewegen, es hob das Köpfchen, fing zu weinen an und rief:

"Mutter, ich habe Hunger -- ich möchte essen!"

Die Frau wußte vor Freude kaum, was sie tat. Vorsichtig legte sie das Holzkind aufs Bett nieder und lief in die Küche, um schnell einen Brei zu bereiten. Das Holzkind aß gierig eine Schüssel voll des guten Breies auf, und rief von neuem:

"Mutter, ich habe Hunger!"

"Warte, mein Liebling, ein Weilchen! Gleich will ich Dir etwas zum Essen holen!" rief sie.

Sie lief zur Nachbarin, um sich einen Topf Milch auszuleihen.

Hastig ergriff das Holzkind den Topf und trank die Milch bis zur Neige aus. Dann klagte es wiederum, daß es Hunger habe und essen wolle.

"Noch immer bist du nicht gesättigt?" rief die Frau verdutzt.
Schnell eilte sie ins Dorf und kehrte bald mit einem Laib Brot wieder, den sie auf den Tisch in der Stube legte. Hierauf eilte sie in die Küche, um das Feuer unter dem Suppentopf zu schüren. Kaum aber hatte sie die Stube verlassen, als auch das Holzkind sich von seinen Decken und Hüllen befreite, vom Bette glitt, das Brot ergriff und es im Nu verzehrte. Dann rief es wiederum:
"Mutter, ich bin hungrig, gib mir schnell, was zu essen!"
Als die Frau sein Rufen hörte, kam sie in die Stube, um das Brot zu holen, welches sie in die Suppe einbrocken wollte. Doch der Tisch war leer -- das Brot war verschwunden! In der Stubenecke aber saß das Holzkind, groß und breit wie ein Fäßchen und sah die Mutter mit gierigen Augen an.
"Gott sei mit uns, Kind, hast du etwa den Laib Brot auch schon aufgegessen?"
"Das habe ich, Mutter, -- dich will ich auch noch verschlingen!"
Es riß den Mund weit auf, und ehe sich's die arme Frau versah, war sie in seinem Schlunde verschwunden.
Nach kurzer Zeit kehrte der Holzfäller aus dem Walde heim. Kaum hatte er die Schwelle betreten, rief ihm das Holzkind zu:
"Vater, ich habe Hunger, gib mir was zu essen!"
Der arme Mann erschrak gar sehr, als er das Holzkind sah, welches in der Ecke saß, groß wie ein Backofen war, mit den Augen rollte und den Mund sperrangelweit aufriß.
"Gott schütze uns vor allem Bösen!" rief der Mann, "wo ist denn die Mutter?"
"Ich habe sie aufgegessen und auch dich werde ich verzehren!"
Und im augenblicke hatte es den Holzfäller verschlungen.
Je mehr das Holzkind aß, desto hungriger und gieriger wurde es. Nachdem es im Hause nichts mehr fand, was es essen konnte, machte es sich auf den Weg ins Dorf, um dort nach weiterm Futter zu suchen.
Unterwegs begegnete ihm eine Magd, die einen Karren mit Klee vom Felde nach Hause führte.
"Du hast aber viel essen müssen, um einen so gewaltigen Bauch zu haben", rief sie lachend.
Und das Holzkind antwortete:
"Ich aß und verzehrte den Brei in der Schüssel
die Milch im Topfe, einen Laib Brot,
die Mutter -- den Vater
und auch Dich will ich essen!"
Es sprang hinzu, und im Nu war die Magd mitsamt Klee und Karren in seinem Bauche verschwunden.
Bald darauf sah das Holzkind einen Heuwagen auf sich zukommen, der von zwei Pferden gezogen wurde und auf dem ein Bauer saß, der lustig die Peitsche schwang.
Das Holzkind verstellte dem Gefährt den Weg, die Pferde hielten an, und der bauer rief ärgerlich:
"Kannst du denn nicht ausweichen, du dickes Ungeheuer! Ich will dich lehren ...!"
Und er erhob seine Peitsche und wollte mit ihr nach dem Holzkinde schlagen. Doch dies scherte sich nicht um ihn, sondern rief:
"Ich aß und verzehrte den Brei in der Schüssel
die Milch im Topfe, einen Laib Brot,
die Mutter -- den Vater
ihrem Kleekarrendie Magd mit
und auch Dich will ich essen!"
Ehe der Bauer wußte, wie ihm geschah, war auch er mitsamt seinen Pferden und dem Heuwagen im Bauche des Holzkindes verschwunden.
Das Holzkind wanderte nun weiter. Der Weg führte entlang einer Weide, auf der ein Schweinehirt seine Herde weidete. Das unersättliche Ding stürzte sich auf die Herde und verschluckte ein Schweinchen nach dem anderen. Zum Schluße aß es auch noch den Schweinehirten auf!
Am Fuße eines Hügels kam ihm ein Schafhirt mit seinen Schafen entgegen. Als ihn das Holzkind erblickte sprach es zu sich:
"Da ich schon ohne hin so viel verzehrt habe, kann ich doch diese nicht laufen lassen!"
Und so verschlang es die Schafe, den Hirten und seinen treuen Schäferhund Waldi auch noch dazu.
Das Holzkind war nunmehr so groß und dick geworden, daß es sich nur schwer fortbewegen konnte. Es wankte bis zu einem Krautfelde, auf welchem ein altes Mütterchen das Unkraut jätete. Das Holzkind überlegte nicht lange und begann die Kratköpfe aus dem Boden zu reißen und sie zu verschlingen.
"Warum fügst du mir denn diesen Schaden zu, du Holzklotz!" rief die Alte erzürnt. "Du scheinst ja schon zur Genüge gegessen zu haben und könntest wohl schon satt sein!"
Das Holzkind lachte höhnisch und rief:
"Ich aß und verzehrte den Brei in der Schüssel
die Milch im Topfe, einen Laib Brot,
die Mutter -- den Vater
die Magd mit ihrem Kleekarren
den bauer mit Pferden und Heuwagen,
den Hirten mit seinen Schweinen,
den Schäfer mit Hund und Schafen
und auch Dich will ich essen!"
Und es machte sich daran die Alte zu verspeisen. Doch diese war schneller als das unförmige Holzkind. Sie ergriff ihre scharfe Hacke und schlitzte mit einem Schlage seinen Bauch auf. Da fiel das Holzkind leblos zu Boden.
Ihr hättet sehen sollen, was jetzt geschah!
Aus dem Bauche sprang zu allerst der kleine Schäferhund, hinter ihm kam der Schäfer, dann sprangen die Schafe, eines nach dem anderen, ins Freie. Hierauf liefen die Schweinchen heraus, ihnen folgte der Schweinehirt, der lustig mit der Peitsche knallend hinter dem Schäfer hereilte. Dann kamen die Pferde mit dem Heuwagen. Der Bauer saß noch immer oben auf, und er fuhr nun, über die Verzögerung scheltend, den Hirten ins Dorf nach. Dem Wagen folgte die Magd mit ihrem Karren, und zuletzt stiegen aus dem Bauche der Holzfäller mit seiner Frau, und sie trugen unter dem Arm das ausgeliehene Laib Brot.
Von nun an hörte sie niemand mehr seufzen: "Ach, wenn wir doch nur ein Kindlein hätten!"

Fragen zu dem Text:
Du kennst wohl jemanden, der (bzw die) alles bekommt, was der/die will. Ist er/sie zufrieden?
Was willst du, das du nicht hast? Wie könnte es dir schlecht gehen, wenn du genau das bekämest / bekommen würdest?
Meinst du, der Mensch rechnet mit allen Möglichkeiten, wenn der Mensch nach irgendwelchem Ziel strebt?
Wie könnte das Thema des Märchens mit Politik oder Regierung verglichen werden?
Wie hat der Wunsch der Frau anderen Menschen betroffen?